Diana Mercedes Alonso


Die Bilder von Diana Mercedes Alonso entfalten einen meditativen Raum. Ob es eigentlich 'Bilder' sind? sind es nicht Tafeln oder Objekte? aber was ist mit dieser stillen und gleichzeitig mächtigen Wirkung der Farben Blau und Weiß?

Wer die geometrischen Farbflächen in einem von ihr ausbalancierten Kunstraum sieht, wird hineingezogen in die Geschichte des konkreten bildnerischen Gestaltens und der Reflexion von Form und Farbe. Die zwei wichtigen Pfeiler bestimmen in entscheidender Form die Bilder: da ist einerseits die Linie – die Form – die Konstruktion, und da ist andererseits die Farbe – die Malerei. Geometrie und entschiedene Klarheit entstam­men der Anschauungsweise des Konstruktivismus und Suprematismus und der nachfolgenden Bestrebungen, die mit Namen wie Malewitsch, Mondrian, El Lissitzky, Theo van Doesburg, Max Bill und Yves Klein verbunden sind. Angesichts der vielfältig durch­gespielten Variationen konstruktiven Gestaltens stellt sich die Frage heute nach der Produktivität und Originalität des jeweiligen Denkansatzes: kann es überhaupt noch neue Konzeptionen und Bilder im Bereich der reinen Farbe und der reinen Form geben? Die Künstler von heute brauchen nicht mehr um die Freiheit von figurativen Bindungen und die Autonomie der geometri­schen Formen und der Farbe zu kämpfen – dieser Kampf ist geführt und seine Ergebnisse sind etabliert, wenn sie auch immer noch hier und da mit Provokation einhergehen.

Diana Mercedes Alonsos Bilder mit den rechteckigen Farbflächen sind nicht allzu groß. Wenige Stücke: Abfallholz aus einer Tischlerei, ein Stück Bambusrohr, Schultischplatte oder Stuhlsitzfläche, Fotopapier (leicht gerollt) und Metallschiene werden montiert in strenger Auseinandersetzung mit Vertikale und Horizontale. Der Strenge der Geometrie stehen die manchmal etwas schiefen Linien, die mit der Lebendigkeit der gefundenen Gegenstände korrespondieren, entgegen. In aller Stille und fast unmerklich erhebt sich der Widerspruch gegen die Sprache der wissenschaftlichen Rationalität, gegen die Apologie der technischen Welt und ihrer Erfindungen. Die Lebensmöglichkeiten und Zukunftsaussichten sind nicht mehr an die einlinige Logik mit ihrem absoluten Herrschaftsanspruch gebunden. Es ist eine ruhige und sanfte Korrektur, die Alonsos Bilder anbringen: keine Absage an Verstand und Vernunft, sondern die Anschauung eines umfassenden Geistigen.

Nicht umsonst ist 'Ehrlichkeit' eine wichtige Kategorie für Diana Mercedes Alonso. Denn wenn alles sich wandelt und das an den Naturwissenschaften orientierte Denken sich erweitern muß, nutzt es nichts, an den scheinbar festen Gerüsten der Allgemeinbegriffe festzuhalten. Subjekt und Objekt? Verstand und Gefühl? Zahl und Name? Eindeutige Identität? Die Eindeutigkeit stimmt schon lange nicht mehr. Alonso entscheidet sich so, daß sie nicht das Viele zur Sprache bringt: Trümmerberge oder glattglänzende Konsumwelt, son­dern in einem Vorgriff auf eine gewaltlose Intersubjektivität zielt, die die Lebensprozesse zur Klarheit zu bringen verspricht.

In den geometrischen Formen kommt die Geschichte, die dem Material anhängt, zur Ruhe. Aber sie wird nicht aus­gelöscht. Auch die Subjektivität der Künstlerin mit den Besonderheiten der Biographie, Ikone der Genie- und Originalitätsästhetik, hebt sich auf. Aber es ist eben nicht von der 'Objektivität' zu sprechen, die das neuzeitliche Wissenschaftsideal für sich in Anspruch nimmt. Das Subjekt ist Teil der aufeinander verwie­senen Lebenswelt und ihrer Gesetzlichkeiten. Die Bilder von Alonso laden die Betrachter zu einem Dialog über die grundsätzlichen Fragen ein.

Dazu trägt die emotionale Intensität der Farben den anderen Teil bei: Das leere Weiß und das tiefe Blau teilen sich die Herrschaft. Die räumlichen Materialien werden in die Malerei zurückgenommen. Durchweg verwendet Alonso eine blaue Offsetfarbe, die sie für sich entdeckt hat, als sie in einer Druckerei arbeitete. Das in die Ferne ziehende Blau hält sich die Schwebe mit dem Weiß, das den Raum nach vorne weit und ruhig macht. Nicht Streit oder Kampf sind es, wodurch das Verhältnis der Farben bestimmt ist – auch wenn die Farben häufig auf unterschiedlichen Holzteilen aufgetragen sind -, sondern weiter, ruhiger, zur Erkenntnis einladender Raum.

So wie sie im Februar 1990 zum Abschluß ihres Studiums den oberen Treppenhausraum der Hochschule zu einer meditativ akzentuierten Raumskulptur gestaltete, so hat sie auch ihre erste Einzelausstellung im 'Haus am Wasser' genutzt, die Raumwirkung ihrer Arbeiten auf den gesamten Ausstellungsraum zu übertragen. Offensichtlich geht es um einen erweiterten Sinnlichkeits- und Erkenntnissbegriff, nicht also um die Fortsetzung der Geschichte der verfü­gungsbegierigen Rationalität. Unauflösliche Gegensätze bei der Wahrheitssuche sind nicht ausgeschlossen. Vilém Flusser schrieb 1989 zur künftigen Aufgabe einer Kunst, die sich nicht mehr von der Wissenschaft unterschiede:
'Die Wissenschaft wird als eine intersubjektive Fiktion, die Kunst als eine intersubjektive Disziplin zwecks Erkenntnissuche erscheinen, also die Wissenschaft als eine Kunstart und die Kunst als eine Variante der Wissenschaften.'

Bremen, September 1990
Barbara Alms